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Diplompsychologe
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Was ich gern anschaue

Person > Persönlicheres

 ... Schönes (z.B. Blauer Reiter, Bilder von Hanfried Brenner )
... Bewegt-bewegendes (z.B. Kinofilme)
... Entspannendes (z.B. Tatort oder "Die Kommissarin")
... Spannendes (z.B. "Lie to me" - eine Fernsehserie in welcher Forschungsergebnisse des Ausdruckspsychologen Paul Eckmann durch die Kunstfigur "Dr. Ligthman" als Kriminalfilme erzählt werden)


Mein aktueller Kinotipp (hier bespreche/ nenne ich jeweils den letzten positiv bewerteten Film):

Nymphomaniac I+II

Eine Entwicklungsgeschichte weiblicher Sexualität die im Beispiel der Joe, Tochter einer kalten Frau und eines liebenswürdigen Vaters, auf die eine Dimension des Lusterlebens reduziert betrachtet wird. Die Protagonistin wird als fröhliches Kind in beglückender Freundschaft mit einer frivol mitgenießenden Freundin vorgestellt. Die Vatertochter erfährt von diesem viel über das Leben von Bäumen und deren Seele: die Knochengestalt des blattlosen Stammes. Dieser Arztvater, der ihr später durch sein Verrecken am Krebs das Grauen möglicher Ekstasen nahe bringt, ist die einzige Figur, der Joe Wärme entgegenbringt und an die sie gebunden ist.
Sie ist soweit erzogen in Freiheit, dass sie sich ihre Entjungferung als Dienstleistung selbstbestimmt antun lässt. Eine der Entwicklungsdimensionen kann beschrieben werden als die des Fickens:  Um die Wette Ficken um sich selbst als Siegerin zu spüren – ein fröhliches Jugendlichenspiel, Ficken in einer zögerlichen „Verliebtheit" mit dem Ergebnis einer Schwangerschaft, Ficken in Lustgier neben einem Ehemann, der sich nach seinen Kräften bemüht, den unermesslichen Hunger der Möse jedoch nicht stillen kann. Und dann das Entsetzen der Frigidität – das Wort wird im Film kein einziges Mal benutzt, obwohl es das Kreuz ist, an das die Nymphe genagelt wurde – die irgendwann schlagartig hereinbricht.

Im Zweiten Teil wird der Verlust der orgiastischen Erfüllung Anlass zur dramatischen Suche nach den vermissten sexuellen Höhepunkten. Joe sucht sich die stärksten Reize, lässt sich von „Negern" als gefährlichen Männern im Sandwich ficken, sucht die Dienstleistung eines Demütigung und Schmerz gegen Geld bietenden Mannes der sie auspeitschen wird und arbeitet immer erfolgreicher – nachdem Kind und Mann weg sind – als Geldeintreiberin.
In einer Begegnung mit einem der reichen Erpressungsopfer wird die Facette des Begehrens von Pädophilen beleuchtet und Joe tröstet den geilen Kerl indem sie ihm einen bläst, als Belohnung dafür, dass er seine Lust nur in der Einsamkeit seiner Kopffilme lebt und kein Kind wirklich belästigte. Wunderbar, dass kein einziges Bild dieses ekelhaften Kopfkinos gezeigt wird, sondern der sonst außerordentlich explizite Bilderrausch hier ganz reduziert wird auf Assoziationsbilder und Joes gesprochene Worte.
Ein Geschäftsfreund ihrer kriminellen Existenz vermittelt ihr eine Lustsklavin – einschließlich der Gebrauchsanweisung, wie sie sich diese aus der unglücklich unbeholfenen Masse der verlorenen Jugendlichen heraussuchen und zurecht erziehen kann – wobei sie wohl übersieht, dass dies Mädchen im Unterschied zur Arzttochter, die sie bleibt, in sich das Wissen um die Zugehörigkeit zu dieser kriminellen Welt, in die sie benutzend gezogen wird, erhalten und bestärkt hat. Als Joe vor einem Haus steht dessen Bewohner das nächste Opfer der Geldbeitreiberei sein soll, liest sie dort den Namen ihres Ehemannes, des Vaters des Kindes dem sie monatlich anonym  1000 Pfund überweist – erschrocken übergibt sie ihrer hörigen Schülerin den Auftrag als Gesellenprüfung und zieht sich zurück. Die Junge erfüllt ihren Auftrag indem sie einen Ratenzahlungsvertrag erpresst, für die beiden ein „schöner Erfolg." Erst bei der letzten Ratenabholung ist Joe soweit, dass sie misstrauisch prüft, was geschieht – sie stellt fest, dass die beiden Schlägertypen, die zur Geldeintreiberei dazugehören im Auto schnarchen, währen ihre dienstbare Bettgenossin drinnen offensichtlich lustvoll nackt mit dem zahlungsbereiten Exgatten Champagner trinkt.
Der kürzeste Weg von dessen Haus zu ihrer Wohnung führt durch eine triste Backsteingasse, in dieser lauert sie mit ihrer Pistole und als der gut zahlende Lover ihre Mitarbeiterin heim begleitet – angetrunken und sexuell animiert – da tritt sie hervor und drückt zweimal die auf den Kopf des Erstaunten zielende Waffe ab. Es fällt jedoch kein Schuss – der Mann, der sie erkannte, schlägt sie verächtlich zusammen, fickt dann, dem geilen Schenkelspreizen der jungen Geldeintreiberin folgend diese vor ihren Augen genau so brutal, wie es Joe einst erfuhr als sie ihre Entjungferung in Auftrag gegeben hatte: drei Stöße in die Muschi, fünf in den Hintern – fertig. Acht Stöße, acht Kapitel – die so Gefickte geht zu der am Boden liegenden „Mäzenin", stellt sich über sie und pinkelt sie voll.

Die ganze Bilderzählung beginnt mit diesem Schlussbild – Joe, zerschlagen und bepinkelt in der Gasse – ein Bürger geht am Gasseneingang vorbei einkaufen und auf dem Rückweg sieht er das Opfer im Rinnstein. Er wendet sich ihr zu, bietet an die Polizei zu rufen, was Joe ablehnt. Als Herr Seligmann – so heißt diese Figur, die sich später selbst als „asexuell" beschreibt und der in seinen gebildeten Wortbeiträgen den Eindruck erweckt, als sei es Seligkeit Mann ohne Sexualität zu sein  – fragt, was er für sie tun könne, sagt sie matt „Eine Tasse Tee wäre jetzt gut".  Er stimmt zu, meint jedoch, dass er keinen Tee auf der Straße servieren würde, da müsse sie schon in seine Wohnung kommen. Sie lässt sich dorthin helfen und im Gästezimmer des seltsamen Privatgelehrten betten. In diesen Rahmen ist die gesamte Erzählung gefasst. Der umfassend humanistisch gebildete Kerl verhält sich als sei er ein Gesprächspsychotherapeut, seine kontinuierliche Bereitschaft hörend mit zu vollziehen, welches Schicksal ihm nun diese Frau ins Gästebett schleuderte, wirkt so rührend wie die ganze seltsam freundliche Figur. Und so könnte der Film enden mit einer trostreichen Begegnung zwischen einer Frau, die sich in ihrer Sexualität schließlich als orientierungslos verletzlich erlebte und dieser abschwört – Joe will in ein neues Leben friedlich hineinschlafen - und einem Mann, zu dem sie fast freundschaftliche Gefühle zu entfalten vermeinte. Herr Seligman bietet an ihren Schlaf zu bewachen und schleicht sich jedoch wenig später mit entblößtem Unterleib in das Zimmer der Schlafenden, deckt sie auf und will sie besteigen. Joe erwacht und erwehrt sich, verständnislos räsoniert der geile Bock, dass er meint ein Recht darauf zu haben, sie zu ficken, denn sie habe sich doch schon so vielen Tausenden Männern hingegeben. Es wird dunkel als Joe zu ihrer Pistole greift, der Schuss fällt, kurz Ankleidegeräusche, dann fällt die Wohnungstür ins Schloss und Joes davoneilende Schritte künden, dass es ihr gelang der Vergewaltigung zu entgehen.
Klug hatte der anscheinend stark psychoanalytisch angehauchte Seligmann ihr vorher erklärt, dass sie eben keine Mörderin sei, denn das Versagen der Pistole sei ein Werk ihres Unbewussten gewesen – selbst er, der niemals so etwas niedriges wie einen Kriminalroman gelesen habe, wüsste, dass man eine Pistole erst durchladen müsse, ehe sie die dann im Lauf befindliche Patrone abschießen kann. Klug hat Joe gelernt sich des Mordgerätes in Notwehr zu bedienen. Betrachtet man das Kunstwerk als eine Erzählung über die Lust an der Lust, über die leiblich-orgiastische Seite des Liebens, über die Not mit der erfüllten Sexualität, so wird erst in diesem Abschluss die Hoffnung deutlich, dass Menschen sich zu ihrer Sexualität bekennen müssen um glückend leben zu können. Frau Joe hatte kein sinnlich frauliches Modell in ihrer kalten Mutter – blieb einsam in der Begegnung mit dem eigenen Kind, das sie nicht zu lieben vermochte  - ließ sich von der wohlmeinenden Sexsuchttherapeutin nicht umdefinieren – lebte ihre Geilheit, bis sie in Herrn Seligmanns Bett innerlich soweit gereift war, sich zu einer Änderung zu entschließen – ein Weg der Befreiung. Und dass die männliche Bestie, deren betuliche Freundlichkeit sich rückblickend als sozialängstliche Leugnung der eigenen Begierden entlarvt, sie nun nicht benützen kann – das macht den Zuschauer zu einem erfreuten Weggenossen der davoneilenden Selbstveränderin.

CMH April 2014


Weitere Filme die mich so stark berührten, daß ich einige Worte über sie verliere, waren:


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