Texte + Gedichte: Paris
Paris
Als noch Morgentau lag über Ruß
und alten Fassaden, Stahlgerüsten
und Marmorgerippen, der Fluß
noch schlief wie die Bronzebüsten
da wanderten Augen und Sinnen
entlang: Straßenmäuler hinab
unter Drähten und Bäumen, über Rinnen
die einst Blut sogen, zum Grab
eines Kaisers. Und später im Lichte
aufkeimender Wärme entfaltetes Lachen
über Fremde hinweg. Die dichte
Menge vergessen. Die Münder machen
mit fremden Lauten schöne Formen
die Taube nicht zu lesen wüssten
und die Augen vergessen die Normen
der Kunst. Die Türme streben, als müssten
sie des Himmels Blau halten empor
und fernher erschallen Gesänge, laut
wird es manchmal und auf der Haut
brennt das Klingeln, verlockender Chor
vieler verliebter Gedanken und überall
grünt auf den Straßen und Plätzen
unvermutetes Laub, das Schwätzen
nimmt zu und dennoch versink der Hall
im späteren Dunkel. Lichter beginnen
im Fluß zu tanzen und das Wasser
schweigt mit Geschichte. Gewinnen
die Schatten und werden sie krasser
als leichte, künstliche Glutfunken, dann
steigt aus der Schwärze ein Stern
ans Land, märchenerzählend, der gern
die Kinder behütet, ein alter Mann.
Curd Michael Hockel
Erstmals veröffentlicht im Klenzespiegel der Schülerzeitschrift des Klenzegymnasiums München, 8. Jahrgang 1963/64 Heft 6, Seite 9